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Web-Porträt

Zentrum Liberale Moderne

Aktivisten in der Denkwerkstatt

Auf LibMod.de wird über die Zukunft unseres Gemeinwesens und der internationalen Ordnung debattiert

von Achim Forst

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In Folge 567 der Reihe Jung & Naiv gab es im April 2022 mal wieder ein zweieinhalb Stunden langes Live-Gespräch. Grund: die vielen Themen, aber auch der Charme, die Kompetenz und die Intelligenz der Gesprächspartnerin, von der Interviewer Tilo Jung offenbar ebenso gefesselt war wie wohl die meisten der später über 120.000 Zuschauer des YouTube-Videos.

Marieluise Beck, alles andere als jung und naiv, war 1983 eine der ersten Bundestagsfraktions-Sprecherinnen der Grünen und bis 2017 über 30 Jahre lang Abgeordnete im deutschen Bundestag. Eine Dame mit strubbelig-grauer Kurzfrisur, Perlenkette und einem Umhänger mit goldenem Davidstern. Wenn sie spricht, fixieren Becks lebendige hellgraue Augen ihren Gesprächspartner interessiert, mal ironisch oder selbstironisch, mal angriffslustig, besonderes als es um das Verhältnis der Deutschen zu den (US-)Amerikanern geht, die immer mal wieder die ‚Arschkarte‘ zögen und militärisch einspringen müssten, wenn Deutschland und Europa dazu nicht in der Lage wären.

Weniger Zeit zum Nachdenken

Auf Jungs übliche Eingangsfrage „Was machst du?“ sagt Marieluise Beck: „Ich arbeite in einer Denkwerkstatt“ und dass im Moment aber weniger Zeit zum Nachdenken sei, weil sie sich dort aktiv mit der Ukraine und Russland beschäftige: „Eigentlich ist der Krieg bei uns von morgens bis nachts das Thema.“

Ralf Fücks mit Marieluise Beck 2017 bei seinem Abschied vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung (Foto: stephan-roehl.de)

Osteuropa-Expertin Beck war auch Migrationsbeauftragte und Staatssekretärin in rot-grünen Regierungen, bevor sie im November 2017, einen Monat nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag, mit ihrem Ehemann Ralf Fücks die Gründung des Zentrum Liberale Moderne bekannt gab.

Freigeister für die Demokratie

Fücks, zuletzt Vorstand der den Grünen nahen Heinrich-Böll-Stiftung, kümmert sich besonders um ökologische Fragen und übernahm im Think Tank – eine Bezeichnung, die er aus Bescheidenenheit oder Zurückhaltung nicht gerne hört – die Funktion „Geschäftsführender Gesellschafter“, Beck ist „Senior Fellow“. Ihr gemeinsamer Antrieb damals und heute: die Sorge um die Zukunft unserer liberalen Demokratie.

LibMod.de, die Webseite des Zentrum Liberale Moderne, ist eine gesellschaftspolitische Plattform. Der große Bild-Slider auf der Startseite präsentiert Themen wie Völkerrecht – Völkermord, Von Srebenica nach Butscha und Moskaus Scheinreferenden in der Ukraine. Im Pulldown-Menü werden Projekt-Seiten und -Plattformen zu Ukraine, Russland, Östliche Partnerschaft, Ökologische Moderne und Liberale Demokratie verlinkt. Besonders interessant die Gegneranalyse, eine monatlich aktualisierte Themenseite über Gegenmedien als Radikalisierungsmaschinen.

Wenn der trockene Corporate-Name nicht wäre, könnte man LibMod.de für die gut gestaltete Webseite eines kritischen Politik-Gesellschaftsmagazin halten. Doch die Gründer Marieluise Beck und Ralf Fücks, beide jahrzehntelang für die Grünen aktiv, haben sich mehr vorgenommen.

Bei der Gründung inspirierte das grüne Politikerpaar mit seinen Ideen für einen neuen, modernen Liberalismus noch das scheiternde politische Ringen um eine Jamaika-Koalition, heute begleiten und konfrontieren sie mit dem Zentrum Liberale Moderne ihre früheren Mitstreiter innerhalb und außerhalb der grünen Partei.

Gegner: Cicero, die Linke und der Kreml

Schon in den letzten Jahren als Abgeordnete hatte Marieluise Beck ihre politische Perspektive erweitert und sich In der parlamentarischen Versammlung des Europarates der Allianz der liberalen Parteien in Europa (Alde) angeschlossen.

Joachim Gauck, Bundespräsident a.D., bei der Eröffnung des Zentrums Liberale Moderne am 15.11.2017 in Berlin

Das Zentrum Liberale Moderne, inzwischen auch staatlich unterstützt, findet nicht überall Zustimmung: Im August 2022 warf Cicero unter dem Titel Bewusstseins-Arbeiter auf Staatskosten dem Zentrum wie auch anderen geförderten Think-Tanks vor, „mit fragwürdigen Methoden und politisch einseitig“ zu agieren. Der Staat greife damit in die unabhängige Meinungsbildung der Bürger ein.

Einen Monat später wehrten sich Abgeordnete der Linken in einer Kleinen Anfrage im Bundestag gegen die angebliche Diskreditierung des Medienprojekts Nachdenkseiten, das auf der Zentrum-Plattform Gegneranalyse kritisch analysiert wurde.

Unerwünschte Organisation

Schon im Mai 2021 hatte Russland das Zentrum zur „unerwünschten Organisation“ erklärt, also in Russland verboten. Beck und Fücks hatten wohl zu konsequent an den Sanktionen nach der Annexion der Krim festgehalten und die russisch-deutsche Energiepolitik kritisiert: „Das Zentrum Liberale Moderne ist eine sehr vernehmbare kritische Stimme in der deutschen Russland-Debatte, bei der es darum geht, ob die Zusammenarbeit mit dem Kreml um jeden Preis fortgesetzt werden soll oder ob wir Prinzipien und Werte verteidigen müssen, wenn sie von der russischen Politik verletzt werden.“ (Ralf Fücks im Interview mit der Deutschen Welle, 11.06.2021)

Für mich ist mein politisches Leben die Verpflichtung zur Verhinderung der Shoah, und ich habe jüdische Enkelkinder.

Marieluise Beck

auf die Frage im Jung & Naiv-Gespräch 2022, warum sie einen Davidstern trage

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