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Viel Licht und etwas Schatten

Unterwegs auf AllMusic.com: eine persönliche Testrecherche

von Achim Forst

Der erste Eindruck: zu viele Werbebanner und bunte Thumbnails mit Kauf- und Höranreizen wie auf allen Musik-Seiten und Streaming-Plattformen. Was anders ist auf AllMusic.com und was sie zu der vermutlich besten Informationsquelle für Musik und Musiker im Netz macht, erfährt nur, wer tiefer gräbt, also Songs, Alben, Musiker und Komponisten recherchiert.

Weil ich die Qualität von AllMusic.com im Bereich Jazz schon seit Jahren schätze und nutze und nicht in Musikgenres recherchieren will, von denen ich keine oder wenig Ahnung habe (Metal, Rap, Folk, Country u.v.m.) suche ich Vertrautes: vielleicht Oldies, Pop und Rock meiner Jugendzeit?

Ich lande bei der Klassik, durch eine Überraschung auf der Startseite: Hinter dem Banner Recent Classical Highlights werden die Alben junger Klassik-Stars angeboten, mit buntem Mainstream-Repertoire. – Bietet die Plattform, die sich früher schon selbst mal zum Weltmeister für populäre Musik erklärt hat, also nun immerhin, aber nur Easy-Listening-Klassik für alle, wie ein Open-Air-Konzert mit dem Geiger David Garrett?

„Probably by JSB or not‟

Nein. Über Johanns Sebastian Bachs Orgelbüchlein (in Benjamin Alards harmonia mundi-Gesamteinspielung der Tastenwerke J.S.B.s), finde ich hier zum Beispiel mit nur zwei Klicks zum Meister selbst: AllMusic.com widmet ihm nicht nur eine kurze, aber vernünftige Biografie (wie alles auf der Plattform auf Englisch), sondern auch eine riesige Werkliste (Compositions). Zu jedem Werk sind die Platten-/CD-Ausgaben angegeben (Appears On), besonders bemerkenswerte Alben werden durch einen verlinkten Redaktionstext hervorgehoben.

Johanns Sebastian Bach wird von AllMusic.com ausführlich und mit viel Respekt behandelt. Die Datenbank verzeichnet ihn mit zahlreichen Werken, allerdings auch einigen, die außerhalb seiner Lebenszeit entstanden.

Dazu nennt die Kompositionsliste auch Jahreszahlen, doch die müssen bei jedem Aufruf der Seite durch Anklicken der Spalte erst einmal wieder in die chronologische Ordnung gebracht werden und sind mit Vorsicht zu betrachten: Vor Bachs Geburtsjahr 1685 sind undatierte und Werke seines Onkels eingefügt, sogar mit den korrekten Angaben by Johann Michael Bach not JSB. Während der Lebenszeit von Johann Sebastian Bach (1685-1750) bezeichnen die Jahreszahlen das Kompositions- oder Erstausführungsjahr. Doch nach seinem Tod 1750 werden von AllMusic.com mit Jahreszahlen auch alle möglichen Stücke aufgeführt, die gar nicht von ihm stammen: doubtful, probably by, not JSB. Und im 20. Jahrhundert beziehen sich die Jahreszahlen nur auf Rekonstruktionen von Werken Bachs.

Ein Herz für alte Meister

Und wie behandelt AllMusic.com andere alte Meister, die nicht im ewigen Rampenlicht stehen wie J.S.B.? – Ich habe bei zwei musikalischen Vorfahren Bachs nachgeschaut: Hans Leo Hassler (1564–1612), gut 120 Jahre vor Bach geboren, ein heute nur noch bei Klassikfans und Chorsängern bekannter Komponist wunderbarer Madrigale und Motetten, wird von AllMusic.com sorgfältig mit Biografie und Werken gewürdigt.

Ebenso sein Zeitgenosse Orlando di Lasso (1535-1594), ein Star der Renaissance-Musik, der äußerst produktiv sowohl kirchliche als auch ‚weltliche‘ Werke komponierte. (In der Datenbank findet man ihn allerdings nur unter der englischen Schreibweise seines Namens: Orlande de Lassus.) Seine Biografie ist nicht kürzer als die von Meister J.S.B., und auch Orlandos Kompositionsliste ist lang.

Mitmachen: Wie gut ist AllMusic.com ?

Wie korrekt und vollständig die Informationen in der Datenbank sind, sollten nicht nur Musikwissenschaftler:innen überprüfen, sondern vor allem Fans und Musikfreunde und -freundinnen. Besonders unbekannt und interessant in den Nicht-Pop-Bereichen Klassik und Neue Musik. – Kritik, Ergänzungen und Korrekturen sind hoch willkommen und werden auf unserer Seite publiziert. Versprochen!

Totalausfall bei Alban Berg

Drei nicht-repräsentative Stichproben bei Komponisten der klassischen Moderne ergaben Widersprüchliches: Alban Berg (1885–1935), Luigi Nono (1924-1990) und Karlheinz Stockhausen (1928-2007) werden mit kurzen, informativen Werkbiografien vorgestellt, die – mit mehr oder weniger Elementen aus den jeweiligen Lebensläufen – so unterschiedlich sind wie deren Autoren. Beeindruckend lang sind die Kompositionsverzeichnisse vor allem bei Nono und Stockhausen (140!).

Alban Berg

Dagegen fiel mir sofort ein Totalausfall bei den Diskografien auf, eigentlich die stärkste Seite von AllMusic.com: Für Alban Berg werden nur drei(!) Alben (= CD-, LP-Veröffentlichungen) angegeben. Eine kurze Websuche führte mich sofort zu einer Vielzahl von CDs, zum Beispiel zur Alban Berg Collection der Deutschen Grammophon von 2003: Mit ihren acht CDs und mehr als neun Stunden Laufzeit zeigt sie Bergs Produktivität und lässt erahnen, wie lang seine internationale Diskografie eigentlich sein müsste.

Achim Forst

Bildnachweise

Screenshots von AllMusic.com: AllMusic Media, Fair use
Johann Sebastian Bach, 1746: Gemälde von Elias Gottlob Haussmann, Public domain, via Wikimedia Commons
Orlando di Lasso: Museo internazionale e biblioteca della musica, Bologna, Public domain, via Wikimedia Commons
Alban Berg: Max Fenichel (1885-1942) Public domain, via Wikimedia Commons

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